Zu jedem Saisonbeginn gehts an die Außenhaut, an das Gelcoat unserer schönen Boote. Eine Saison geht selten spurlos vorüber. Hier mal was im Cockpit fallen gelassen oder etwas zu viel Speed am Steg. Es gibt viele Möglichkeiten dies es notwendig machen – Gelcoat reparieren!
Wer hier ab und an ließt hat evtl. schon mitbekommen, LINGUINI ist farblich ganz auf RAL 9003 eingestellt. Auch nach nunmehr 8 Jahren ist es immer noch der selbe Farbton.
Gelcoat Alterung
Wenn man über die Farbe von Gelcoat ließt bekommt man schnell die mahnenden Finger, die Farbe verändere sich über die Zeit. Ja sicher! Aber hier wird immer wieder das selbe Mantra abgespult das heute oder besser gesagt, bei neueren Booten tickt die Welt etwas anders.
Wo ein Boot aus den 80ern nach 10-15 Jahren sich bereits in Richtung Gilb tendierte, ist die Qualität heutiger Gelcoats eine ganz andere. Die Menge an Härter ist, neben der UV-Einstrahlung maßgeblich für eine frühe Verfärbung zuständig. Ist sie richtig berechnet und der Härter im Polyester gut verteilt, dann dauert es lange bis sich eine Verfärbung sichtbar einstellt. Falsche Pflege kann ebenfalls negativ wirken.
Der Unterschied von einer RAL 9003 zur nächsten RAL-Farbe selber Farbgruppe ist mit dem Auge leicht erkennbar. Alles dazwischen wird schon schwerer. Aber wie finde ich nun die exakt richtige Farbe meines Gelcoats?
Farbe messen
Es gibt elektronische Hilfsmittel die sogenannten Densitometer. Diese werden im Bereich der Farben häufig eingesetzt um den exakten Farbton zu analysieren. Allerdings legt man dazu ein Farbmuster unter ein Gerät. Das wird mit dem Boot eher schwierig und so ist man auf mobile Geräte angewiesen was die Auswahl bereits drastisch reduziert.
Ein gutes Densitometer kostet meist einen höheren 3stelligen Betrag. Preiswertere Densitometer sind meist für einen speziellen Zweck eingeschränkt. So zum Beispiel um die Farbtreue eines Bildschirms zu messen und dann ordentlich einzustellen.
Das Densitometer muss geeignet sein eine Gelcoat Oberfläche zu analysieren. Die ist je nach Alter glatter oder eben nicht, sie kann glänzen oder eben nicht. Das sind die beiden Parameter die es dem Densitometer erschweren den exakten Farbton zu identifizieren. Glanz wird bei höherwertigen Geräten berechnet bzw. in die Analyse mit eingebracht. Eine offenporigere oder rauere Oberfläche ist da schon schwieriger. Densitometer haben idR einen eigene Beleuchtung die im Bereich der Messung Schattenbildung vermeiden soll. Da sie meist für glatte Oberflächen ausgelegt sind, kann ein raues Gelcoat die Messung beeinflussen.
Meine Erfahrung ist die, wenn ich sicher sein will welcher Farbton der passende ist, dann nehme ich
Die Augen als Messwerkzeug
Nichts ist so schrecklich als wenn man nach der Reparatur genau sieht wo man ausgebessert hat. Alles ist glatt, glänzt und eigentlich perfekt. Sobald das Licht dann ungünstig einfällt sieht man es, die falsche Farbe! Mich stört so etwas sehr und deshalb ist die Messung eines Gerätes nur eine Hilfestellung. Unterschiedlicher Glanz bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen reflektieren unterschiedlich und das sorgt dafür, dass ein gemessenes Ergebnis eben oft nicht dem entspricht was man mit den Augen sieht.
Ich habe zwei Sets an RAL-Farbkarten. RAL gibt es in unterschiedlichen Varianten (Classic, Design, Effect…) und ich muss wissen welche der Farbenhersteller nutzt. In der Regel ist es die RAL Classic. Da gibt es nicht viele Weißtöne. Zwischen den Weißtönen liegen aber Welten in der Sichtweise einer Gelcoat Reparatur.
Mixer
Du wirst bei einem älteren Boot nicht umhinkommen Deine Farbe anzumischen. Mischen bedeutet, ausgehend vom originalen Farbton, durch die Zugabe unterschiedlicher Farben, Deinen Farbton zu treffen. Das ist eine echte Wissenschaft.
Sobald Dein Boot derart verfärbt ist, das ein anderer als der originale Farbton besser passt, ist geraten diesen Farbton als Ausgangsbasis zu wählen.
Nimm die Farbkarte, idealerweise eine größere und kleb sie mit Tesa auf Dein Boot. Dann betrachtest Du die Farbe über einen Tag mit unterschiedlichem Licht und bekommst ein Gefühl über die Abweichung. Jetzt setzt Du Dich an den Computer (ein farboptimierter Monitor wäre ideal) und nimmst den Farbton der Deinem Boot am nächsten kommt und den originalen Farbton Deines Gelcoates. Hier gibts z.B. eine Übersicht der Classic RAL-Farben.
Eine Übersicht welcher Hersteller bei welchem Boot und in welchem Jahr welche Farbe verwendet hat gibt es leider nicht wirklich. Einzelne Hersteller von Bootsfarben wissen aber durchaus recht viel wenn man sie anruft oder man fragt die Werft wenn wie noch existiert oder es steht vielleicht im Eignerhandbuch.
Nun lässt RAL keinen Aufschluss auf die Mischung zu. Oft wird empfohlen Schwarz und / oder Gelb zuzugeben wenn man von einem ursprünglich 9003/9010/9016 RAL ausgeht und das Alter nachmischen will. Schaut man sich diese Farbtöne aber in der CMYK Umrechnungstabelle an, dann sieht man, dass man durchaus richtige Farbe nutzen kann um den Farbton zu erlangen. Gebt mal die in CMYK umgerechnete Farbe (vorheriger Link) in ein und schaut euch das im CMYK-Rechner an. Cyan und Gelb sind maßgeblich beteiligt. Schwarz zu nehmen um weiß gealtert aussehen zu lassen führt selten zum Ziel.
Also nehme ich eine Cyan oder Blau und eine gelbe Farbpaste um meine Gelcoatfarbe altersgerecht anzupassen. Will ich es genau wissen, dann kann ich noch mit Magenta oder Rot arbeiten. Aber gaaanz vorsichtig!
Das Mischungsverhältnis
Gibts nicht! Jedes Gelcoat reagiert anders auf Farbe, ist unterschiedlich viskos und dadurch ist die zuzugebende Menge pro Gelcoat oder Topcoat unterschiedlich. Die Faustregel ist aber, weniger ist mehr.
Wenn Du einen Liter Topcoat in RAL 9003 nimmst und, nur als Beispiel, ein RAL 9001 erreichen willst, dann brauchst Du 3 Tropfen Gelb, einen guten Tropfen Blau und einen halben Tropfen Rot. Halbe Tropfen – hahaha. Es gibt Pipetten mit unterschiedlichen Tropfengrößen. Einfach in der Apotheke vorbeischauen. Wenn es zuviel war muss man die Menge an originalem Gelcoat erhöhen bis man dann irgendwann 20 Liter Gelcoat hat :-). Nein, so schwierig ist das nicht, man braucht nur Zeit und das Ergebnis ist dann für die nächsten 6-8 Jahre gültig. Denke der Aufwand lohnt.
Vorgehensweise
Ich orientiere mich an RAL und für die Mischung am CYMK.
- Original RAL-Farbton wählen. Wenn der nicht bekannt ist kannst Du diese Vorgehensweise vergessen.
- Den Farbton wählen der Deinem Gelcoat am nächsten kommt. Lieber einen wählen der noch n Tick älter aussieht aber die Natur des Farbtons wiederspiegelt.
- IM CMYK schauen welche Anteile an C/Y/M sich in welchen Verhältnissen verändern.
- Dieses Verhältnis in der Menge Blau (70% vom Wert), Gelb (100% vom Wert) und Rot (50% vom Wert) einhalten. Warum so? Weil Du als Mischpigment idR nur als Blau und nicht Cyan bekommst und Magenta durch Rot ersetzen musst.
- Fang mit der kleinstmöglichen Menge an Tropfen an. Wenn Du drei unterschiedliche Pipetten- also Tropfengrößen hast wäre das ideal. für jede Farbe drei!!
- Nach dem ersten Durchgang streichst Du das Coat sehr dünn und flächig auf ein DIN A5 Papier oder auch kleiner. Das Papier klebt auf einer größeren Folie (wegen Kleckserei) und das ganze klebst Du dann auf Dein Boot und setzt Dich mal ne halbe Stunden davor.
- Jetzt bewertest Du. Stimmt der Ton grundsätzlich aber noch nicht intensiv genug, dann nochmals die selbe niedrigst mögliche Menge Farben zugeben und erneuter Durchgang.
- Ist der Farbton falsch, dann ist Dein Auge gefragt. Nimm Dir Zeit! Nicht gelblich genug? Dann einen mittleren Tropfen Gelb. Nicht grau genug? Dann jeweils einen Tropfen Blau und einen kleinen Tropfen Rot.
- Du musst abschätzen ob Du die Menge gleich etwas größer wählen kannst.
Gelcoat und Topcoat andicken
An manchen Stellen braucht man es etwas dicker. Bei größeren Reparaturen nimmt man eine Epoxy-Spachtel und füllt erst einmal auf. Gelcoat kann dann z.B. mit Glasfasern vermengt werden ähnlich wie der Epoxyspachtel. Aber nur wenn man darüber noch ein Topcoat setzt. IdR sollte Gelcoat nur so dick aufgetragen werden, dass man eben keinen “Verdicker” benötigt. Thixotropiermittel ist eine chemische Hilfe um ein Gelcoat aber auch ein Topcoat dicker zu bekommen. Gerade beim Topcoat und vor allem den heute styrolfreien Topcoats sind diese oft zu dünnflüssig um an einer vertikalen Reparatur zu arbeiten. Thixotropiermittel hilft hier, ich würde aber in jedem Fall erst einmal testen wie sich das verträgt. Die Frage ist auch, wirkt es sich längerfristig auf die Farbe aus? Das konnte mir bis dato niemand in der Reihe der Profis sagen. Klar, die Firmen machen keine Aussagen um auf der sicheren Seite zu sein. Die Hersteller von Thixotropiermittel verweisen auf den Coathersteller. Mal wieder “Henne Ei”.
Aber nur der Versuch macht klug und so habe ich hier Thixotropiermittel nebst Topcoat stehen und werde das am “eigenen Leib” testen.
Polieren bis der Arzt kommt?
Ach was haben wir alle nicht schon an der Poliermaschine oder mit der Watte verbracht. Ich poliere immer weniger weil ich es gecheckt habe, das richtige Poliermittel, abgestuftes Schleifen zuvor und schon macht man sich wesentlich weniger Arbeit.
Bei Gelcoat Reparaturen nehme ich 400er, 800er und 1500er Schleifpapier und schleife den 1500er Durchgang nass. Auch wenn das manch einer anders sieht :-). Danach poliere ich mit Polierpaste und zum Schluss einwachsen. Polieren aber nur nach Reparaturen. Ansonsten reinigen und wachsen. Glanz ist ja nice aber Glanz kostet jedesmal Material!